eScooter – Brandbeschleuniger für die Mobilitätsrevolution?!
„Endlich ist es so weit. E-Scooter erobern auch in Deutschland unsere Ballungsräume und Städte und erweisen sich dabei als flexible und intelligente Ergänzung zu Auto und öffentlichem Nahverkehr. Ich sehe diese erste neue Form von #Mikromobilität als willkommenen und notwendigen Brandbeschleuniger für die überfällige #Mobilitätsrevolution. Sie führt uns zu einer vernetzten, umweltbewussten und kundenorientierten Mobilität. Weg vom Besitz und Status hin zum Nutzen und Teilen. Die Frage ist, wie schaffen wir gemeinsam gegen unsere Gewohnheiten diese Mobilitätswende hin zu #SMARTMobility – für mehr Lebensqualität und persönliche Autonomie für alle.“
Soweit mein Eingangs-Statement beim Format STREITKULTUR im Deutschlandfunk am 1. Juni 2019.
Hier die Aufzeichnung:
Mein Kontrahent: Burkhard Stork, Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Er fordert eine „moderne Radverkehrsinfrastruktur“ und „Wir müssen ans Auto ran“.
Streitpotential gab es bedingt, letztendlich sind eScooter eine weitere Mobilitäts-Alternative auf zwei Rädern und ermöglichen eine intelligentere, effizientere und nachhaltigere Mobilität in Städten.
Offen blieb, warum wir trotz Fahrrad-Lobby oder wegen der Auto-Lobby es in Deutschland nicht geschafft haben, Zweiräder als echte und attraktive Alternative zu etablieren. Siehe zum Beispiel Kopenhagen und Amsterdam.
Offen blieb aus meiner Sicht, die Frage, warum wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr viel mehr Regulierung und Einschränkung benötigen. Und warum eBikes oder Pedelecs genau von diesen ausgenommen werden?
Ein friedliches Miteinander kann es nur geben, wenn es ein räumliches Nebeneinander gibt.
Konsens fanden wir auch bei der Tatsache, dass ein „Straßenkrieg 2-Rad gegen 4-Rad“ in vielen deutschen Städten herrscht und die Situation auch ohne die eScooter Alternative inakzeptabel ist.
Die Befürchtungen sind berechtigt. Es wird zu mehr Konflikten kommen, wenn sich Autofahrer, Radler und Fußgänger in Zukunft den extrem knappen öffentlichen Raum in unseren Städten mit eScooter Fahrern teilen müssen. Die unterschiedlichen Formen der #Mikromobilität untereinander auszuspielen ist der falsche Ansatz. Beide haben einen berechtigten Platz v.a. in der urbanen Mobilität auf dem Prinzip eines räumlichen Neben- und Miteinanders.
Bestehende Radwege sind oft so schmal, dass ein Radfahrer auf die Straße ausweichen muss, um einen eScooter sicher zu überholen. An vielen Stellen ist es für Autofahrer schon jetzt quasi unmöglich, den vorgeschriebenen Überholabstand zu einem Zweirad einzuhalten. Wenn Zweiradfahren sicher (und komfortabel) sein soll, braucht es breitere, abgetrennte Zweirad-Wege. Und zwar nicht nur punktuell, sondern flächendeckend.
Parkplätze und Autospuren müssen für die #Mobilitätsrevolution weichen und auch das ist noch zu kurz gegriffen. Wer nicht auf zwei Rädern unterwegs sein kann oder möchte braucht:
- neue bezahlbare und zuverlässige Mobilitäts-Angebote, wie zum Beispiel Ride-Sharing Angebote
- einen intelligent gesteuerten Nahverkehr, der zu Stoßzeiten genügend Kapazitäten bereitstellt, um für Mensch und Roller genug Platz zu bieten.
- und nicht zuletzt eine Regelung des Autoverkehrs, damit ich zuverlässig und ohne Stau von A nach B komme und einen Parkplatz finde (und nicht weiterhin 30% durch Parkplatzsuche persönliche (Lebens)Zeit, Raum und Energie nutzlos verschwendet wird.
Verkehrspolitiker müssen sich endlich trauen, Verkehrsräume neu zu verteilen. Es geht hier vor allem um Parkplätze und Fahrspuren. Durch Autos werden heute in Deutschland durchschnittlich 50% Prozent unserer Stadtflächen benutzt für Fahrstraßen und Parkfläche. Ein Auto-Parkplatz schafft Raum für 8-10 eScooter oder 4-6 Fahrräder. Diese Rechnung wird selten aufgezeigt. Warum sollte ein SUV (über 5 Meter lang, bis zu 3000 KG Gewicht) mehr Rechte als ein eScooter max 2 Meter und 0,7 Meter breit) in Städten im öffentlichen Raum haben?
Den Platz in den Städten ist limitiert und der Trend zu Urbanisierung und Bevölkerungswachstum in unseren Großstädten wird diese Situation weiter verschärfen.
Deutschland noch Entwicklungsland für Mikromobilität
Seit Herbst 2017 sind die hippen Roller in weltweit über 130 Städten im Einsatz und gehören dort zum Stadtbild dazu. Am 15. Juni 2019 trat in Deutschland die eScooter Verordnung in Kraft und es war höchste Zeit.
Denn die elektrischen Tretroller sind ein niedrigschwelliges Angebot, um kurze Wege in Innenstädten zurückzulegen. eScooter werden für Wege zwischen 0,5 und 4km benutzt. Im Durchschnitt werden damit 1,3km zurückgelegt, d.h. die erste oder letzte Meile.
Auswertung der ersten Nutzungsdaten
Erste empirische Umfragen und Auswertungen ergeben, dass vor allem Fußgänger und ÖPNV Nutzer dieses erste neue Angebot wahrnehmen. Autofahrer steigen bis jetzt nur bedingt auf den eScooter um. Nur in London ist die Akzeptanz der Roller durch die hohe City-Maut für Autos höher.
Hier besteht viel Bedarf an fundierter und neutraler Marktforschung. Zudem ist Aufklärung und Information extrem wichtig, um die potentiellen Nutzer abzuholen und ihre Ängste und Sorgen aufzugreifen.
Aus meiner Sicht dürfen hier die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Die eMobilität wurde lange durch negative Berichterstattung beeinflusst und als Verzicht und Einschränkung dargestellt. Bis heute ist eMobilität ein stark polarisierendes Thema und das Kauf- und Nutzerverhalten dadurch stark beeinflusst.
Meine Quintessenz
Es geht bei der Diskussion um eScooter um einen wichtigen Schritt in Richtung Plattform-Mobilität als Basis einer #SMARTMobility, geprägt durch intermodulare, vernetzte, shared und effiziente und kundenzentrierte Mobilitätsangebote in #SMARTCities.
Meine Expertengespräche, u.a. mit Anbietern, Nutzern, Lobbyisten und städtischen Genehmigungsbehörden ergaben folgende erste Ergebnisse:
- eScooter sind eine sehr nachhaltige und grüne Mobilitätsform, die gleichzeitig noch sehr viel Fahrspaß bietet
- eScooter sind eine ideale Ergänzung zu ÖPNV Angeboten und bestehenden Ride-Hailing Geschäften/Anbietern/Plattformen, weil sie für die „first&last-mile“ konzipiert sind.
- eScooter müssen mit Ökostrom aufgeladen werden (Hive), um den nachhaltigen Ansatz weiter zu betonen und gewisse Qualitäts-, Nachhaltigkeits- und Sicherheitsstandards erfüllen
- eScooter können – sinnvoll eingesetzt – den innerstädtischen Verkehr entlasten. Dadurch können eScooter zu einem Gewinn für die gesamte Stadtgesellschaft werden.
- Überall dort, wo eScooter eingeführt wurden, haben sie großen Erfolg und konnten viele Menschen für sich gewinnen
- Wirtschaftlich sind die eScooter ein „proven business case“. Durch die verhältnismäßig geringen Anschaffungskosten ist es in einem überschaubaren Zeitraum möglich, in die Gewinnspanne zu kommen.
Monetarisierung von Mikromobilität
Seit dem Debut des USA Start-ups „Bird“ hat sich der Markt rasant entwickelt. Heute teilen sich 11 Anbieter mit einer Kapitalisierung >20 Mio $ (davon kommen 4 aus Kalifornien und 3 aus Berlin) den Markt für shared eScooters die mehr als 1,5 Mrd $ Investment eingesammelt haben. BCG erwartet 2025 ein Marktpotential von 40-50 Mrd $ weltweit (Quelle).
Für mich ist es entscheidend und wünschenswert, dass neue Formen von Mobilitätsangeboten bestehende ergänzen und auch nachhaltig ökonomisch erfolgreich sind. Nur so haben wir mehr Auswahl an Alternativen, die den Kriterien Nachhaltigkeit, Effizienz und Komfort entsprechen und zum Fundament einer #SMARTMobility in #SMARTCities werden. Mikromobilität soll und darf Freude machen und einen Beitrag zur persönlichen Autonomie leisten.
Hinweis: Am 18.7. stehe ich den Zuhörern des Formats MARKTPLATZ im Deutschlandfunk neben Bodo Braunmühl vom eScooter Anbieter Tier Mobility und Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht den Zuhörern Rede und Antwort. Ich freue mich auf ihre Fragen und Anmerkungen.
https://kleebinder.net/events/marktplatz-deutschlandradio-zum-thema-escooter/
Quellen:
https://medium.com/datadriveninvestor/micromobility-is-the-future-of-vehicles-220c2c0c9b0
https://qz.com/1592543/what-cities-can-do-to-stop-traffic-pollution-ruining-kids-health/